„Politics of performance“ in digitalisierter Produktionsarbeit: Betriebliche Strategien der Digitalisierung und Praktiken der Leistungssteuerung

Projektbeschreibung

Leistungspolitik in der digitalen Transformation von Arbeit

Digitale Technologien schaffen neue Bedingungen für die Steuerung von Arbeit und Leistung im Betrieb. Das gilt nicht zuletzt für den Shopfloor: eine automatisierte Datenerfassung und -verarbeitung erhöht Transparenz und Überwachungspotenziale, die informationstechnische Verknüpfung physischer Komponenten (Internet of Things) erlaubt einen direkteren Zugriff auf Prozesse der gesamten Wertschöpfungskette, selbstlernende Systeme, Leichtbaurobotik und digitale Assistenzsysteme erweitern die Möglichkeiten flexibler Automatisierung. Doch beschränkt sich die Steuerung von Arbeit nicht auf Kontrolle und Handlungsrestriktionen, sondern umfasst auch die gezielte Aktivierung von Beschäftigtenhandeln. Zudem verfolgen Unternehmen mit dem Einsatz digitaler Technik allerdings nicht ausschließlich – und oftmals nicht mal vorwiegend – Strategien, die auf Rationalisierung von Arbeitskraft gerichtet sind. Für die digitale Transformation prägend sind insbesondere auch unternehmerische Strategien, die auf die Einflussnahme auf Markt und Kooperationspartner oder die Reorganisation übergreifender Prozesse (systemische Rationalisierung) zielen.

Ziele und Fragestellung

Das Projekt fragt danach, wie sich Leistungspolitik in der Industriearbeit vor dem Hintergrund unterschiedlicher und teils widersprüchlicher Digitalisierungsstrategien von Unternehmen und betrieblichen Akteuren verändert, welche Auswirkungen also Digitalisierung auf betriebliche Aushandlungen und Prozesse hat, die die Verausgabung von Arbeitsleistung, Arbeitsbedingungen und konkrete Arbeitspraxis bestimmen.

Hierzu geht das Projekt erstens der Frage nach, welche Strategien betriebliche Akteure mit dem Einsatz digitaler Technologien verfolgen, wie die jeweiligen Strategien umgesetzt werden und welche Reibungen oder Synergien sich zwischen verschiedenen Zielsetzungen ergeben. Zweitens erforscht das Projekt, wie die angestoßenen Digitalisierungsprozesse auf die Prozesse der Leistungspolitik wirken. Dabei berücksichtigt das Projekt explizit auch die Wirkung derjenigen Digitalisierungsstrategien, die nicht primär auf Arbeitskraftrationalisierung, Überwachung und Kontrolle zielen, aber als (erwünschter oder unerwünschter) Nebeneffekt auf die Bedingungen der Leistungsverausgabung Einfluss nehmen. Weil sich von bestimmten Unternehmensstrategien nicht umstandslos auf die realen Auswirkungen auf den Arbeitsprozess schließen lässt, fokussiert das Projekt dabei nicht zuletzt auf konkrete Arbeitspraxen, Wahrnehmungen und Aneignungsweisen der Technik durch Produktionsbeschäftigte. Das Projekt zielt damit auf einen konzeptionellen Brückenschlag zwischen der Analyse konkreter Arbeitsprozesse und betrieblichen (Digitalisierungs-)Strategien.

Im Ergebnis zielt das Projekt auf

  • die Entwicklung eines theoretischen Rahmens zur Interpretation digitaler Transformation durch die Reformulierung und Fruchtbarmachung des Konzepts „betrieblicher Strategien“
  • die Erklärung und Interpretation unterschiedlicher Wirkungen und Entwicklungen im Einsatz digitaler Technik
  • die Analyse und Einschätzung aktueller Entwicklungen von Praktiken der Leistungspolitik und damit einen Beitrag zur zeitdiagnostischen Einschätzung der digitalen Transformation von Arbeit
Vorgehen

Die Untersuchung des Zusammenhangs von Digitalisierungsstrategien und Leistungspolitik erfolgt im Rahmen von qualitativen Intensiv-Fallstudien in drei Unternehmen der Automobil- und Chemieindustrie sowie im Maschinenbau. Die Auswahl der Unternehmen berücksichtigt dabei unterschiedliche Ausgangsbedingungen für die Herausbildung und Verfolgung betrieblicher Strategien (u.a. Marktsituation, Stellung in der Wertschöpfungskette, bisheriger Automatisierungsgrad). Die Fallstudien selbst umfassen neben Dokumentenanalysen und Betriebsbegehungen insbesondere leitfadengestützte Interviews mit betrieblichen Expert:innen zur Analyse betrieblicher Digitalisierungsstrategien und Modi der Leistungssteuerung sowie mit Produktionsbeschäftigten in ausgewählten Einsatzbereichen digitaler Technik. Die Auswertung der Fälle erfolgt sowohl in betriebsbezogenen Fallanalysen also auch im kontrastierenden Fallvergleich.

Das Projekt wird durchgeführt im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms Digitalisierung der Arbeitswelten.

ProjektbearbeiterInnen

Projektlaufzeit

11/2020 bis 10/2023

Projektförderung

Das Projekt wird von der Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG im Rahmen des Schwerpunktprogramms 2267 „The Digitalisation of Working Worlds. Conceptualising and Capturing a Systemic Transformation“ gefördert.