SFB-C1 Ökonomie und Arbeit im nachfordistischen Übergangsregime – Zur industriesoziologischen Zeitdiagnose reflexiver Modernisierung

Projektbeschreibung

Mit den gegenwärtig zu beobachtenden Veränderungsprozessen von Unternehmen und Arbeit (Dezentralisierung und Vermarktlichung von Unternehmen, Netzwerkbildung, Erosion des Normalarbeitsverhältnisses etc.) stehen zentrale Basisinstitutionen der ersten Moderne auf dem Prüfstand. Das Teilprojekt untersucht insbesondere, inwiefern sich in der Erosion von für die erste Moderne konstitutiven Grenzziehungen Hinweise auf einen grundlegenden Bruch und damit auf mögliche Übergänge in die Zweite Moderne finden lassen:
(1) in den erodierenden Grenzziehungen zwischen "Betrieb/Unternehmen" und "Markt" und den dort jeweils herrschenden Steuerungsprinzipien (zentralistisch-bürokratische Organisation vs. Konkurrenz und Austausch), (2) in Prozessen der inhaltlichen, sozialen, zeitlichen und räumlichen "Entgrenzung von Arbeit" (Erosion der "Normalarbeit" sowie der Grenze zwischen "Arbeit" und "Leben") und (3) in der (partiellen) Ablösung von Macht- und Herrschaftsbeziehungen durch Formen der Selbstorganisation im Rahmen neuer Kooperationsformen und Wettbewerbsmechanismen. Ob und inwieweit in diesen Prozessen zugleich Ansätze zur Entwicklung neuer Strukturen und Funktionsprinzipien der Organisation von Unternehmen und Arbeit angelegt sind und wie diese Ansätze sich in eine gesellschaftliche Theorie reflexiver Modernisierung fügen, dies zu klären ist Ziel der theoretischen Arbeiten dieses Teilprojekts.

In der laufenden dritten Forschungsphase wird die Forschungsperspektive einer Erosion der fordistischen Basisinstitutionen der ersten Moderne (paradigmatisch: Entgrenzung) nun dezidiert um die Frage nach den „Konturen des Neuen“ erweitert: Ausgangspunkt der weiterführenden – und zugleich abschließenden – Arbeiten ist die Beobachtung eines Umschlags in der Entwicklung von Ökonomie und Arbeit: Nach einer Phase der „Entdeckung der Krise“ und einer „Inkubationsphase“ läßt sich etwa seit den 1990er Jahren die Herausbildung eines „nachfordistischen Übergangsregimes“ beobachten: Dieses ist „Regime“, weil nun – bei anhaltender Krise – neue Rationalisierungsleitbilder und institutionelle Restrukturierungstendenzen in neuartiger Weise ineinandergreifen und dem Umbruch eine spezifische Gerichtetheit verleihen. Zugleich deutet vieles darauf hin, daß dieses Regime selbst krisenhaft, möglicherweise ein Übergangsphänomen ist: Die neuen „Lösungen“ erweisen sich als instabil, heterogen, widersprüchlich und konfliktreich.

Die leitende Fragestellung der dritten Forschungsphase lautet deshalb: Was ist das Neue und was macht seinen (möglichen) Übergangscharakter aus? Die Frage, wodurch sich neue und paradigmatische Tendenzen der Entwicklung von Ökonomie und Arbeit auszeichnen und inwiefern diese „krisenhaft“ sind, läßt sich zumindest exemplarisch empirisch untersuchen. Die Frage, was das „Regime“ als Ganzes aber möglicherweise zu einem „Übergangsregime“ macht, kann dagegen nur Gegenstand theoriegeleiteter Deutung, das heißt von Zeitdiagnose sein. Entsprechend beinhaltet das Forschungsprogramm zwei Schwerpunkte:

Zum einen sollen exemplarische empirische Untersuchungen zu paradigmatischen Tendenzen der gegenwärtigen Restrukturierung von Ökonomie und Arbeit durchgeführt werden: Mit Untersuchungen zum (Informations-)Raum der Reorganisation nehmen wir die transnationalen Organisationsstrukturen einer informatisierten und globalisierten Ökonomie in den Blick. In den Untersuchungen zur Herrschaft der Zahlen fragen wir nach der Durchsetzung abstrakter, marktorientierter Steuerungs- und Kontrollformen im „Shareholder-Value-Kapitalismus“. Und im Untersuchungsschwerpunkt Die Zeit der Subjektivierung analysieren wir den ambivalenten Prozeß der Entfaltung subjektiver Potentiale in einer re-individualisierten Arbeitswelt.

Ein zweiter Forschungsschwerpunkt liegt bei sekundäranalytischen und theoretisch-konzeptionellen Arbeiten, deren Ziel die Verallgemeinerung der Befunde der dritten, aber auch der vorangegangen Forschungsphasen des Teilprojekts insgesamt ist. Die leitende Ergebnisperspektive hierbei ist die einer industriesoziologischen Zeitdiagnose reflexiver Modernisierung, mit der demzufolge eine doppelte Zielsetzung verfolgt wird: Es geht um die abschließende Zusammenführung der Analyseergebnisse des Teilprojektes zu einer industriesoziologischen Zeitdiagnose und damit zugleich um einen industriesoziologischen Beitrag zur gesellschaftlichen Zeitdiagnose reflexiver Modernisierung.

English Version

Economy and Labour in the post-fordistic transition-regime – A contemporary diagnosis of reflexive modernization from an industrial sociological point of view

Current transformations in enterprises and working life (e.g. the decentralization and ‘marketization’ of enterprises and their networks, the erosion of conventional employ-ment relationships), are putting fundamental institutions of first modernity to the test. This research project examines the extent to which the erosion of boundaries that played a constitutive role for first modernity indicates a profound structural change and thus a possible transition to a second modernity, by focusing on: (1) the blurring of the boundaries between the ‘enterprise’ and the ‘market’ and their individual principles of governing, i.e. central bureaucratic control or competition and exchange, respectively; (2) the ‘perforation’ of work in terms of contents, time, space, and social factors, i.e. the erosion of ‘normal work’ and of the boundary between ‘work’ and ‘leisure’; (3) the (partial) replacement of power and control structures by self-organization within new forms of cooperation and competitive mechanisms. The aim of the project is to clarify if and to which extent these processes show the first signs of new structures and functional principles of the organization of enterprises and work and how they fit into the framework of a theory of reflexive modernization.

In the current third period of the project we will broaden our research perspective: After having investigated the erosion of fundamental institutions of the fordistic area, we will now focus on the “new patterns” of post-fordistic restructuring. This decision is based on the discovery of three different periods within the ongoing transition. The first period we have described as “Discovering the crisis” which was followed by the “Incubation Period”. Since the early 1990s the “Post-fordistic transition-regime” has become apparent. The concept ”regime” refers to the new overlap of paradigms of rationalization and institutional restructuring in the ongoing crisis. At the same time, this regime might be itself a ‘transition’-regime, since the new ‘solutions’ seem to be instable, contradictory and causes of social conflicts.

Therefore the leading question of the third period of the project is: What is new about the post-fordistic pattern and how can the (possibly) transitory character of this new regime be characterized? While the new and paradigmatic tendencies in the development of economy and labour can be explored empirically (at least exemplary), the question whether this regime is a ‘transition’ regime needs to be examined theoretically in a contemporary diagnosis. For this reason we focus on empirical research as well as on theoretical-conceptual studies.

The exemplary empirical examinations of paradigmatic tendencies of the current restructuring of economy and labour center around three developments: By examining the (information)space of reorganization we will investigate the transnational organizational structures of the ‘informatised’ and globalised economy. The implementation of abstract, market-orientated control mechanisms in the “shareholder-value capitalism” is the main topic of our studies of the supremacy of numbers. The examination of time of ‘subjectivation’ finally deals with the ambivalent process of the development and realization of subjective potentials within a re-individualised world of labour.

The secondary-analytical and theoretical-conceptual studies focus on the generalization of the results from the third but also from the former periods of our project. At the same time we would like to integrate our results into an industrial sociological diagnosis of reflexive modernisation. This diagnosis can be considered as an industrial sociological contemporary diagnosis as well as an industrial sociological contribution to a social diagnosis of reflexive modernisation.

ProjektbearbeiterInnen

Projektlaufzeit

06/1999 bis 06/2009

Projektförderung

Projektträger: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), gefördert vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst