Projektbeschreibung
Motivation und Zielstellung
Das Projekt ‚TeleVeRbundenheit‘ erforscht das Potential zur Aufrechterhaltung und Steigerung sozialer Verbundenheit von örtlich entfernten, miteinander in Beziehung stehenden Personen durch eine Kombination von Virtual Reality mit Telepräsenzrobotik (TeleVR). Die besondere Herausforderung bei sich nahestehenden Person besteht in der Erzeugung eines ‚Eindrucks physischer Nähe‘ trotz Distanz. Herkömmliche Kommunikationstechnologien erzeugen diesen Eindruck nicht. Die technische Umsetzung ermöglicht es, entfernten Personen an real-physischen Ereignissen mittels Telepräsenzrobotik teilzunehmen und dabei durch immersive Eindrücke einen räumlichen Eindruck des real-physischen Ortes sowie dessen vermittelte Kontextinformationen wahrzunehmen. Die Verkörperung durch Telepräsenzrobotik, die von anderen unabhängige Bewegung, direkte verbale/nonverbale Interaktionsmöglichkeiten sowie die Möglichkeit zur physischen Annäherung oder das nebeneinander ‚Gehen‘ vor Ort machen das Erlebnis dabei für beide Interaktionspartner:innen real. Eine Face-to-Face ähnliche Situation kann entstehen. Entsprechend bildet in diesem Forschungsvorhaben der ‚Eindruck physischer Nähe‘ den zentralen Wirkmechanismus zur Entstehung von sozialer Verbundenheit. Ausgehend von einem auf theoretischen Erkenntnissen beruhenden, vorläufigen Wirkmodell zur Entstehung sozialer Verbundenheit durch TeleVR, erfolgt im interdisziplinären Projekt, eine iterative Weiterentwicklung des Theoriestands, indem Anforderungen für die technische Anwendung aus der Theorie abgleitet werden, diese umgesetzt und mit Nutzer:innen im Rahmen des User-Centred-Design-Prozesses getestet sowie die Erkenntnisse wiederum in die Modellentwicklung eingehen. Dabei werden psychologische, soziologische und ethisch-rechtliche Rahmenbedingungen als Einflussfaktoren zur Identifikation potentialträchtiger Nutzungsszenarien sowie potentieller Hemmnisse durch die Anwendung im Sinne sozialer Verbundenheit untersucht.
Vorgehensweise
Um sich den Forschungszielen zu nähern, soll ein im Vorfeld entwickletes Wirkmodell im Rahmen des Vorhabens theoretisch und empirisch explorativ anhand von qualitativen Methoden (z.B. (auto-)ethnographische, teilnehmende Beobachtungen, narrative (Objekt-)Interviews und Gruppendiskussionen) unter Einbezug von Nutzer:innen um relevante Einflussfaktoren erweitert werden. Erste prototypisch umgesetzte Demonstratoren sollen diesen Prozess unterstützen. Hierbei erfolgt aus psychologischer und soziologischer Sicht eine möglichst offene Betrachtung relevanter Nutzungsgruppen (Beziehungsarten, individuelle Faktoren) und Szenarien (Nutzungskontexte). Ziel ist es, für den technologischen Ansatz relevante Use-Cases mit Potential zur Steigerung der sozialen Verbundenheit zu identifizieren und entsprechende Anforderungen zur Überprüfung des vorläufigen Wirkmodells sowie zur differenzierten technischen Ausgestaltung des Demonstrators abzuleiten. Dieser wird in summativen Evaluationsstudien in ausgewählten Use-Cases (bspw. musealer und privater Kontext) über einen längeren Zeitraum im Feld erprobt. Hierbei sollen Vergleichsbetrachtungen den Mehrwert der entwickelten Lösungen, gegenüber etablierten Formen, wie Videokommunikation, zeigen sowie den zentralen Wirkmechanismus zwischen technologievermittelnder Präsenz und Verbundenheit zielgruppenspezifisch nachweisen. Dadurch entstehen auch Erkenntnisse darüber, welche Use-Cases bzw. Gestaltungsmerkmale gut oder weniger gut umgesetzt werden können (Identifikation hemmender Faktoren). Das Vorgehen wird mit einem User-centred-Design-Prozess (UCD) abgestimmt, der unter Einbezug von Nutzer:innen die Datenerhebungen leitet und darüber hinaus eine nutzungsgerechte Technologiegestaltung sichert.
Soziologisches Teilprojekt
Im soziologischen Teilprojekt steht die soziale Interaktion an allen drei Orten im Fokus des Interesses. Hierfür werden Beobachtungen im weitesten Sinne einer ‚technisch adaptierten‘ multi-sited ethnography mit fokussierten und narrativen (Objekt-)Interviews kombiniert, die qualitativ inhaltsanalytisch und selektiv rekonstruktiv hermeneutisch ausgewertet werden. Adressiert werden so drei, für das sozialwissenschaftliche Teilprojekt zentrale, sich überlappende Themenfelder, die sich aus dem Ziel des Gesamtvorhabens ableiten:
1) „Körper, Verkörperung und Technik“: Welche Verkörperungen werden von wem wo und wann wahrgenommen und welche Effekte haben Erfahrungen technisch-materieller Repräsentationen und Verkörperungen auf die Menschen, Situationen und Interaktionen?
2) „Präsenz und Verbundenheit“: Welche Formen von Präsenz werden für wen wann erlebbar und was sind die Voraussetzungen für das Erleben von Verbundenheit?
3) „Situationen und Interaktionen“: Welche temporären und dauerhaften Effekte hat der Einsatz virtuell erweiterter Telepräsenztechnologien auf (a) Situationsdefinitionen, (b) die jeweilige soziale Beziehung, (c) die Interaktionen mit lokal und (d) virtuell anwesenden Dritten sowie (e) die Ausdehnung von Lebenswelten?
Projektpartner
ProjektbearbeiterInnen
- PD Dr. Marie-Kristin Döbler 089 / 27 29 21 - 0 marie-kristin.doebler@isf-muenchen.de
Projektlaufzeit
04/2023 bis 03/2026
