Zwischen Individualisierung und Tarifvertrag – neue betriebliche Leistungs- und Entlohnungspolitiken in Deutschland und Italien

Kontakt: Dr. Ingrid Drexel

Projektbeschreibung


Ausgangsproblem:


Dezentralisierung der Verhandlungen um Leistung und Entlohnung –

Instrument der Deregulierung oder der Rettung des Flächentarifvertrags?

Eine Dezentralisierung von Leistungs- und Lohnverhandlungen – ihre Verlagerung auf Betriebsebene oder sogar auf die Ebene individueller Arbeitnehmer und ihrer Vorgesetzten – wird viel propagiert und auch zunehmend praktiziert, aber sehr kontrovers diskutiert: Vor allem Arbeitgebervertretern, aber auch Beratern und manchen Politikern gilt Dezentralisierung als eine moderne Lösung für betriebliche Leistungs- und Flexibilisierungsprobleme. Viele Gewerkschaftsvertreter hingegen sehen darin vor allem ein Instrument zur Unterminierung des Flächentarifvertrags und der Schutzfunktion der Gewerkschaften sowie einer verschärften Differenzierung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeitnehmerschaft (Deregulierung). Aber auch Gewerkschaften diskutieren zunehmend neue Modelle einer Synthese von Regelungen, die einheitliche Mindestbedingungen absichern (Tarifvertrag), einerseits und nur in ihren Rahmenbedingungen einheitlich geregelten, konkret aber im einzelnen Betrieb zu entscheidenden und zu vereinbarenden Wegen der Flexibilisierung und Differenzierung andererseits – neue Synthesen, die den Flächentarifvertrag gegen aktuelle Erosionsimpulse stabilisieren sollen. Auch manche Sozialwissenschaftler plädieren in eben dieser Perspektive vorsichtig für eine zwischen den Sozialpartnern in ihren Rahmenbedingungen vereinbarte („kontrollierte“) Dezentralisierung.

Doch sind bestehende Deregulierungsrisiken damit tatsächlich zu bannen? Die Diskussion ist bislang relativ abstrakt-hypothetisch, es gibt kaum verläßliche Informationen zur realen praktischen Umsetzung von Dezentralisierungsmodellen und zu ihren tatsächlichen Folgen.


Zielsetzung des Projekts:


Beitrag zu einem realistischen Bild konkreter Deregulierungsprozesse als Basis für vertretungspolitisches Handeln

Ziel des Projekts war es, am Beispiel von Zielvereinbarungen in Deutschland und ergebnisabhängigen Prämien in Italien konkretes empirisches Wissen zur realen Praxis von zwei Modellen einer Dezentralisierung der Verhandlungen um Leistung und Entlohnung und zu ihren Folgen zu schaffen. Durch die Einbeziehung von zwei Ländern mit unterschiedlichen betrieblichen und politischen Rahmenbedingungen und Traditionen sollten alternative Modalitäten der Dezentralisierung und alternative Strategien der Arbeitnehmervertretung, mit diesen Entwicklungen umzugehen, in den Blick kommen und allgemeinere Zusammenhänge aufgedeckt werden. Untersucht wurden in dieser Perspektive zunächst die Konstruktionsmerkmale von Zielvereinbarung und Premio di Risultato, ihre Einbettung in die bestehenden Verhandlungs- und Regelungssysteme sowie ihre quantitative Verbreitung. Untersucht wurden ferner die betrieblichen und gesellschaftlichen Hintergründe der Entstehung der neuen Leistungs- und Entlohnungspolitiken und ihrer Regelung in Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen. Der Schwerpunkt des Projekts aber lag auf den Prozessen und Problemen der Umsetzung dieser Politiken in die betriebliche Alltagspraxis und auf den bereits sichtbaren oder absehbaren Konsequenzen für Betriebe, Arbeitnehmer und die industriellen Beziehungen: für die Architektur der Regelungskompetenzen, für die Aufgabenprofile der verschiedenen Regelungsebenen und für die vertretungspolitisch relevanten Orientierungen und Verhaltensweisen der Arbeitnehmer.

In einem Vergleich der Entwicklungen in Deutschland und Italien wurden Unterschiede und Gemeinsamkeiten in den Entstehungsbedingungen, in den Umsetzungsprozessen und -problemen sowie in den Auswirkungen auf die industriellen Beziehungen analysiert. Darauf aufbauend waren Schlußfolgerungen für die Interessenvertretung und die wissenschaftliche Diskussion in Deutschland zu ziehen.


Methoden

Explorationsstudie mit Hilfe qualitativer Methoden: Expertengespräche mit Vertretern des Managements und der betrieblichen Interessenvertretung ausgewählter deutscher und italienischer Betriebe, mit Vertretern von Arbeitgeberorganisationen und Gewerkschaften (aller Organisationsebenen) sowie einschlägig arbeitenden Wissenschaftlern; Auswertung vorliegender Untersuchungen und statistischer Daten in beiden Ländern; Konzentration auf die Metallindustrie dreier in ihren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in etwa vergleichbarer Regionen (Baden-Württemberg, Bayern, Emilia-Romagna); vergleichende Analyse der nationalen Ergebnisse; Erarbeitung von vertretungspolitischen Schlußfolgerungen.

ProjektbearbeiterInnen

  • Dr. Ingrid Drexel 089 / 2 78 04 35

Projektlaufzeit

07/1998 bis 07/2001

Projektförderung

gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung und der IG Metall